|Dr.in Katja Mittrenga
Die Köpfe

Dr.in Katja Mittrenga

KatjaMittrenga

Diplomkünstlerin, M.A. Digital Media (Mediendesignerin)
Geschäftsführerin der transPORT – Transferhafen Initiative
an der Otto-von-Guericke Universität Magdeburg
Foto: Michael Palatini, 2023

Mein Arbeitsplatz: mit einem stetig wachsenden Team sitzen wir direkt am Wissenschaftshafen im Speicher B, dem Forschungscampus STIMULATE, nah am Zentralcampus der Uni, aber eben ein bisschen abseits. Ich bin schnell mit dem Rad in der Innenstadt oder am Stadtrand. 

Daran arbeite ich zurzeit: Unsere Initiative transPORT – Transferhafen Magdeburg ist ein über neun Jahre gefördertes Bundesprojekt mit verschiedenen Werkstattprojekten zum Thema Innovation und Transfer. Schwerpunkt ist die Medizintechnik, aber wir haben auch Schnittstellen zur Gründungs- und Nachwuchsförderung und zur Kultur- und Quartiersentwicklung. Derzeit sind wir gerade in der Ramp-up-Phase und wollen 2024 in die gewünschten Experimentier-, Lern- und notwendigen Scheiterphasen starten. Ich freue mich bei den vielen geplanten Veranstaltungsformaten ganz viele Magdeburger*innen zu treffen und ko-kreative Beteiligungsformen auszuloten. Wir arbeiten auch mit vielen Partner*innen zusammen, sowohl aus der Privatwirtschaft wie aus dem öffentlichen Bereich.

So kam ich an die Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg: Ich bin 2019 aus dem Ausland für eine familiäre Firmennachfolge nach Sachsen-Anhalt zurückgekehrt. Leider hat das mit der weiblich-fachfremden Unternehmensnachfolge in einem männlich-dominierten Technikumfeld inmitten von Corona und Energiekrise nicht so gut geklappt. Vorher war ich u.a. Galeristin, Medienkünstlerin und Kulturforscherin in der Schweiz und davor selbständige Unternehmerin einer Multimedia-Agentur in Österreich. Die Möglichkeiten für jemanden wie mich sind hier in meiner alten Heimat natürlich rar und von daher ist das akademische Umfeld ein gutes Feld, um wieder Fuß zu fassen. Nach über 18 Jahren bin ich also zurück, wieder "gestrandet" im Osten, dieses Mal mit anderem Mindset und einem anderen Blick von aussen. Und ich möchte gerne etwas zurückgeben von den tollen Dingen, die ich anderswo gesehen und gelernt habe und die hier leider noch immer nicht so selbstverständlich sind wie anderswo. Ich möchte Veränderungsräume kreieren und diese mit anderen Menschen zusammen gestalten, um mich hier endlich heimisch fühlen und mich nicht dafür anderswo zu schämen, wo ich herkomme. Dafür bin ich bereit mich deutlich mehr zu engagieren.

Das würde ich gern verändern: puh, das wäre ne ganze Menge … jede Veränderung braucht ein gutes Team für den langen Atem und ich habe inzwischen einige tolle Menschen um mich herum, mit denen ich mich traue fast alles anzugehen. 

Wäre ich Wissenschaftsminister(in): würde ich Transdisziplinarität viel stärker fördern und einfordern. Das Denken in Silos braucht Alternativen: sowohl in der Wissenschaft, in der Bildung, in Behörden, aber auch in den Unternehmen. Wir brauchen metaphorisch gesprochen mehr „Brücken“ und „Übersetzer*innen“ und noch mehr "Lichterketten" (statt nur "Leuchttürme"). Da können wir viel von den Künsten dazulernen. Darum mag ich auch den praxisnahen Transferbereich von Wissen und Innovationen sehr, weil dort auch „belächelte“ Formate wie Visualisierungen und alternative kreative Methoden ihren festen Platz haben und Anerkennung finden.

Das mag ich an Magdeburg/dem Osten: die Menschen, das etwas Widerborstige. Harte Schale, weicher Kern. Es hat so großartige tolle Charaktere, vor allem mutige und inspirierende Frauen und Initiativen, die mich immer wieder begeistern und inspirieren. (z.B. heimatbewegen.de, Netzwerk 3te Generation Ost, Neuland21, Netzwerk Zukunftsorte,   )

Und das nicht: Oh, das wäre eine sehr lange Liste. Aber ich werde milder und versöhnlicher. Ich empfehle allen ossi-kritischen Menschen (drei Finger auf mich selbst!) von Herzen das Buch von Dirk Oschmann „Der Osten: eine westdeutsche Erfindung: Wie die Konstruktion des Ostens unsere Gesellschaft spaltet.“ Das Buch hat mich wider Erwarten tief berührt und es verhilft meiner eigenen Emanzipation als eigensinnige Ossi-Frau nach über 20 Jahren „Exilerfahrung“ und Ablehnung, besonders dieser maginalisierten Teil-Identität, zu einer ganz neuen Qualität und Einsicht, trotz aller Selbstkritik.
Ich lebe immer mehr das UND statt dem ABER.

Hier trifft man mich nach Feierabend: Irgendwo zwischen Arbeit-Schule-und-Kita-und-Feierabends-Wahnsinn, also irgendwo zwischen Wissenschaftshafen, Stadtfeld und Cracau. Zum Meditieren fehlt mir meist die Zeit, ich besuche regelmäßig meine Achtsamkeitsgruppe in Stadtfeld. Ich liebe besonders Buckau, Q.hof, die Jugendkunstschule, das Neuzeit, das Ochaya, die Buchhandlung Wahle, den Flying Fish, das Thies Wohnen und Leben, Betsy Peymann, den OPA-Grill, die Kaffeebar, das Basta, die Datsche, den Elbauenpark und den Rotehornpark … und ich entdecke immer wieder neue tolle Orte … das stimmt mich sehr positiv und optimistisch für unsere Zukunft hier in Magdeburg.

(gekürzt in der Volkstimme am Sa 16.12.2023 erschienen)